Wirkung von medizinischem Cannabis – Schweiz
Medizinisches Cannabis rückt in der Schweiz zunehmend in den Fokus, seit Ärztinnen und Ärzte es ab dem 1. August 2022 auf Betäubungsmittelrezept verschreiben dürfen. Diese gesetzliche Änderung hat den medizinischen Einsatz vereinfacht, unter klaren Auflagen und weiterhin strenger Kontrolle. Doch wie genau wirkt Cannabis im Körper, und welche Effekte werden medizinisch beobachtet?
Dieser Artikel informiert neutral über die Wirkungsweise medizinischen Cannabis, erklärt den Unterschied zwischen THC und CBD, beschreibt die häufigsten Anwendungsbereiche, die Einflussfaktoren auf die Wirkung sowie mögliche Nebenwirkungen und Risiken.
Wie wirkt medizinisches Cannabis im Körper?
Die Wirkung von Cannabis beruht auf dem sogenannten Endocannabinoid-System (ECS), einem Kommunikationsnetzwerk aus Rezeptoren, körpereigenen Botenstoffen und Enzymen. Dieses System hilft dem Körper, Gleichgewichtszustände (Homöostase) zu erhalten. Es beeinflusst unter anderem Schmerzempfinden, Stimmung, Schlaf, Appetit und Immunreaktionen.
Die wichtigsten Rezeptoren sind CB1 (vor allem im Gehirn und Nervensystem) und CB2 (in Immunzellen und Gewebe). Cannabis-Wirkstoffe wie THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol) binden an diese Rezeptoren oder modulieren sie indirekt. Dadurch können bestimmte Körperfunktionen beeinflusst werden , etwa das Schmerzsignal, Muskelspannung oder Entzündungsprozesse.
Da das Endocannabinoid-System sehr individuell reagiert, unterscheiden sich auch die wahrgenommenen Wirkungen von Mensch zu Mensch. Entscheidend sind Dosierung, Produktform, Stoffwechsel und ärztliche Begleitung.
THC und CBD – zwei Hauptwirkstoffe mit unterschiedlicher Wirkung
Cannabis enthält über hundert aktive Substanzen. Für die Medizin sind vor allem zwei relevant: THC und CBD.
- THC (Tetrahydrocannabinol) ist der psychoaktive Bestandteil von Cannabis. In therapeutischen Dosen kann er bestimmte Symptome wie chronische Schmerzen, Muskelspastiken oder Übelkeit lindern. THC kann zudem Appetit und Schlaf fördern. In höheren Dosen kann es jedoch auch zu unerwünschten psychischen Effekten wie Schwindel oder Unruhe führen.
- CBD (Cannabidiol) ist nicht berauschend und wirkt indirekter auf das Endocannabinoid-System. Es wird vor allem in Präparaten eingesetzt, die Entzündungen, Angstzustände oder Krampfanfälle begleiten können. CBD kann auch die psychoaktiven Effekte von THC abschwächen und gilt allgemein als gut verträglich.
In der Schweiz dürfen beide Substanzen ärztlich verordnet werden, sofern der THC-Gehalt über 1 % liegt und die Anwendung medizinisch begründet ist. Frei verkäufliche CBD-Produkte mit weniger als 1 % THC gelten nicht als Betäubungsmittel und sind nicht mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gleichzusetzen.
Mögliche medizinische Anwendungsbereiche
Medizinisches Cannabis wird in der Schweiz nicht als Standardtherapie, sondern als mögliche Zusatzoption eingesetzt, meist dann, wenn andere Behandlungen nicht ausreichend wirken oder nicht vertragen werden.
Häufige Anwendungsfelder, in denen Cannabis ärztlich erwogen wird, sind:
- Chronische Schmerzen: Besonders bei Nervenschmerzen oder Erkrankungen, bei denen klassische Schmerzmittel versagen, kann Cannabis eine Option sein.
- Spastizität: Bei neurologischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose kann THC die Muskelspannung verringern.
- Übelkeit und Appetitlosigkeit: THC kann in bestimmten Fällen den Appetit anregen und Übelkeit reduzieren, etwa in der Onkologie oder Palliativmedizin.
- Epilepsie: Für seltene Formen kindlicher Epilepsie ist ein CBD-haltiges Arzneimittel in der Schweiz zugelassen.
- Weitere mögliche Einsatzgebiete: In Forschung und Einzelfällen wird Cannabis bei chronischen Entzündungen, Angststörungen oder neurologischen Beschwerden geprüft.
Ob eine solche Therapie infrage kommt, entscheidet immer die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt nach einer individuellen Abklärung.
Einfluss der Einnahmeform auf die Wirkung
Wie Cannabis wirkt, hängt auch von der Art der Anwendung ab. Unterschiedliche Darreichungsformen führen zu unterschiedlicher Geschwindigkeit, Dauer und Intensität der Wirkung.
- Inhalation (Verdampfen): Der Wirkstoff gelangt über die Lunge schnell ins Blut, die Wirkung tritt nach wenigen Minuten ein und hält etwa zwei bis vier Stunden an. Vaporisieren ist eine häufige Methode, da sie eine fein dosierte Anwendung erlaubt.
- Orale Einnahme (Öle, Kapseln, Tropfen): Die Wirkung setzt später ein – meist nach 30 bis 90 Minuten – hält dafür aber länger, oft bis zu acht Stunden.
- Mundsprays: Werden über die Mundschleimhaut aufgenommen und wirken schneller als Tropfen, aber langsamer als Inhalation.
Welche Form gewählt wird, hängt von den Beschwerden und der ärztlichen Empfehlung ab. Schnelle Wirkung ist meist inhalativen Formen vorbehalten, während bei chronischen Beschwerden oft orale Präparate bevorzugt werden.
Toleranz und individuelle Unterschiede
Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf medizinisches Cannabis. Faktoren wie Alter, Stoffwechsel, Körpergewicht und bisherige Erfahrung beeinflussen die Wirkung.
Deshalb gilt in der medizinischen Anwendung das Prinzip: „Start low, go slow“ – also mit niedriger Dosis beginnen und langsam steigern. So lässt sich feststellen, welche Menge individuell wirksam und gleichzeitig gut verträglich ist.
Bei längerer Anwendung kann eine Toleranz entstehen, das heißt, der Körper gewöhnt sich an die Wirkung. Ärztinnen und Ärzte überwachen deshalb die Therapie regelmäßig und passen die Dosierung bei Bedarf an.
Rechtlicher Rahmen in der Schweiz
Seit August 2022 dürfen Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz medizinisches Cannabis ohne Sonderbewilligung verschreiben. Die Produkte unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz und werden von Swissmedic kontrolliert.
Einige zentrale Punkte:
- Cannabis darf nur auf ärztliches Betäubungsmittelrezept verschrieben werden.
- Die Herstellung und Abgabe erfolgen ausschließlich über zugelassene Apotheken.
- Öffentliches Bewerben oder Heilsversprechen sind gesetzlich verboten.
- Eine Kostenübernahme durch Krankenkassen ist nicht garantiert und muss individuell beantragt werden.
Diese Regelungen sollen sicherstellen, dass medizinisches Cannabis verantwortungsvoll und unter ärztlicher Kontrolle eingesetzt wird.
Risiken und mögliche Nebenwirkungen
Wie jedes Arzneimittel kann auch medizinisches Cannabis Nebenwirkungen verursachen. Die häufigsten sind:
- Müdigkeit oder Schläfrigkeit
- Mundtrockenheit
- Schwindel, Benommenheit oder Herzklopfen
- Veränderungen der Stimmung oder Konzentration
- Vorübergehende Angstgefühle oder Nervosität
Diese Effekte treten meist zu Beginn der Therapie auf und lassen oft nach einiger Zeit nach. Durch vorsichtiges Eindosieren lässt sich das Risiko mindern.
Bei CBD-Präparaten sind Nebenwirkungen seltener und in der Regel mild, etwa Appetitminderung oder Müdigkeit.
Cannabis kann in Einzelfällen die Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen. Daher gilt: Wer sich beeinträchtigt fühlt, sollte kein Fahrzeug führen.
Fazit
Medizinisches Cannabis kann in bestimmten Fällen eine sinnvolle Ergänzung der Therapie darstellen, etwa bei chronischen Schmerzen, Spastizität oder Appetitlosigkeit. Seine Wirkung basiert auf der Interaktion mit dem Endocannabinoid-System, das natürliche Prozesse im Körper reguliert.
Die tatsächlichen Effekte sind jedoch individuell verschieden, und die Behandlung bleibt verschreibungspflichtig, kontrolliert und ärztlich begleitet.
Medizinisches Cannabis ist kein Allheilmittel, sondern eine mögliche Option unter vielen. Richtig eingesetzt und ärztlich überwacht, kann es in ausgewählten Fällen zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen.
Dieser Artikel dient ausschließlich der neutralen Information über medizinisches Cannabis in der Schweiz. Er ersetzt keine ärztliche Beratung und stellt keine Werbung oder Empfehlung dar.
Enmedify besteht aus einem Team von führenden ärzten mit jahrelanger Erfahrung in der Cannabis-Therapie. Unsere Ärzte sind spezialisiert auf eine Vielzahl von Indikationen und verfügen über umfassende Erfahrung in der Behandlung mit medizinischem Cannabis.

